Leidenschaft hat man – oder hat man nicht.

Leidenschaft hat man -
oder hat man nicht

Liebe Leser/-innen

Kürzlich durfte ich am CNO-Panel 2018 im Stade de Suisse ein Keynote mit dem Titel „Back to the Future – Utopie oder Realität“ halten. Es war ein besonderes Erlebnis, weil von meinem Standort konnte ich während des Referates ins Fussballstadion blicken.

Zusätzlich hat der Veranstalter, Pascal Sieber, mit mir ein Interview geführt, das im Organisator publiziert wurde.

Wenn Sie das Interview lesen möchten, können Sie das gleich weiter unten tun, oder aber das PDF herunterladen. Zudem biete ich seit dem letzten Beitrag diesen auch als Podcast an.

Viel Spass beim Hören oder Lesen.

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Podcast dieses Beitrags
(Dauer: 14 Min. 21 Sek.)

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Leidenschaft hat man –
oder hat man nicht (PDF)

Mit türkisfarbenen Grüssen

Jörg Eugster

Das Interview in voller Länge

Jörg Eugster ist ein Internetpionier und ein Botschafter der digitalen Zukunft. Er hat mit jobwinner.ch und swissfriends.ch zwei Internetplattformen gegründet und später an Medienunternehmen verkaufen können. Mit topin.travel, swisswebcams.ch und webcams.travel betreibt er weitere erfolgreiche Internetprojekte.

 

Interview: Pascal Sieber

Die ersten Schritte ins Internet-Geschäft unternahm Jörg Eugster, nachdem er eine Tätigkeit als Management Consultant bei PWC begonnen hatte. Ein paar Monate später wurde er von einem Freund angefragt, ob er ihm beim Aufbau eines regionalen Internetportales als Projektleiter und Geschäftsführer helfen könne. Das Neue reizte Jörg Eugster so sehr, dass er seinen Traumjob schon nach sechs Monaten kündigte.

Die neue Aufgabe war allerdings nur ein 50-Prozent-Job. So kam eine weitere Anfrage eines Bekannten wie gerufen: Dieser wollte einen Bewerberservice aufbauen, «Jobwinner» sollte das Konstrukt heissen. Mit viel Energie – und eben Leidenschaft – ging Jörg Eugster in die Unsicherheit, besonders finanziell, «denn der 50-Prozent-Job reichte zum Leben und zum Bezahlen der Alimente nicht ganz», wie er sich heute erinnert. Doch schon ein Jahr später wurde Jobwinner von Tamedia übernommen und es gab wieder warme Mahlzeiten.

«Leidenschaft» ist ein starkes Wort – und wer wünscht sich nicht, seinen Alltag mit Leidenschaft verbringen zu dürfen? Was braucht es deiner Meinung nach, um diese Leidenschaft zu wecken?

Jörg Eugster: «Internet-Unternehmer aus Leidenschaft» nenne ich mich selber, weil mir viele Leute immer wieder die Rückmeldung gegeben haben, dass meine Ausführungen und Schulungen voller Leidenschaft seien. Diese Leidenschaft für das Internet hält jetzt schon seit 20 Jahren an und geht nicht weg. Oft werde ich auch als Nerd oder Freak bezeichnet, was ich immer als Kompliment auffasse. Leidenschaft hat man oder hat man nicht. Wenn man etwas mit Leidenschaft tut, verfliegt die Zeit. Man merkt gar nicht, wie rasch die Zeit vergeht, wenn man etwas sehr gerne tut. Und wenn man sein Hobby zum Job machen kann, muss man nie mehr arbeiten. So geht es mir zu 80% meiner Zeit. 20% habe ich leider noch ungeliebte Aufgaben, die auch gemacht werden müssen.

In deinen Vorträgen und Publikationen führst du uns an eine noch ungewohnte Zukunft heran. Wie gehst du vor, um diese Zukunftszenarien zu entdecken?

Jörg Eugster: Ich beobachte die Entwicklungen auf dem Markt und versuche eine Einschätzung zu machen. Mein Bauchgefühl ist mein bester Berater, um eine Entwicklung zu beurteilen. Ich erinnere mich an die Jahrtausendwende. Damals gab es einen Hype um WAP, das Wireless Application Protocol. Ich war damals CIO der Winner Market AG (Start-up von Tamedia und Bluewin) und für die Webentwicklungen verantwortlich. Alle wollten mich überzeugen, dass wir in WAP investieren sollten. Doch ich lehnte standhaft ab, einfach weil ich das Gefühl hatte, dass daraus nichts wird. Mein Entscheid stellte sich später als richtig heraus. Als ich 1998 mit Online-Marketing begann, sagte ich immer wieder, dass Online-Marketing die wichtigste Werbegattung werden würde. Ich wurde belächelt. Am 28. Mai 2018 hatte ich auf meinen Kanälen gepostet, dass sich Online nun endlich als Werbegattung durchgesetzt habe und ich darauf 20 Jahre habe warten müssen. Ein Kollege aus jener Zeit kommentierte das wie folgt: «Was haben wir vor 20 Jahren das doch belächelt. Du warst der Einzige, der daran geglaubt hat.»

Es setzen sich ja nicht immer die tollsten Technologien durch. Was braucht es, damit eine Technologie wie z. B. die Spracherkennung im ganz grossen Stil den Durchbruch schafft?

Jörg Eugster: Sobald eine Technologie einen Mehrwert bietet, also einen Nutzen stiftet, wird sie sich durchsetzen. Bei der Spracherkennung sind die Geschwindigkeit und die Genauigkeit entscheidend. Heute staunt das Publikum, wenn ich als Demo einen Text in einem «Höllentempo» diktiere und der automatisch generierte Text fast keine Fehler enthält. Sobald das so ist, nutzen immer mehr Leute einen solchen Service. Der Service verbessert sich ja dann laufend, sodass die Verbreitung unaufhaltsam wird.

Was sind die nächsten grössten Veränderungen, die Schweizer Firmen und Konsumenten/-innen betreffen?

Jörg Eugster: Einen riesigen Schritt nach vorne wird das Internet der Dinge bringen. Dank Sensoren und der Blockchain-Technologie werden wir auf Prozessebene eine Automatisierung erleben, wie wir sie uns vor Jahren noch nicht vorstellen konnten. Wir werden Logistikketten durchgängig und automatisch überwachen können und beispielsweise feststellen können, ob die Kühlkette unterbrochen wurde. In der Autobranche werden wir dynamisches road pricing erleben und die flat fee der Vignette wird Vergangenheit sein. Die Parkgebühr wird dank Sensoren automatisch über eine interne Kryptowährung (z. B. IOTA) abgebucht werden. Alle diese Entwicklungen werden dank der Blockchain und Sensoren möglich werden. Verträge, Diplome und Doktortitel können fälschungssicher auf der Blockchain gespeichert werden. Das sind nur wenige plakative Beispiele, die unser Leben einfacher und sicherer machen werden.

Wir nehmen derzeit zur Kenntnis, dass gigantische Unternehmen wie Facebook zum Teil völlig neu entstehen. Sie schaffen es, Milliarden von Menschen für ihre Angebote zu begeistern. Was sind deiner Meinung nach die Schlüsselelemente dieser Erfolge?

Jörg Eugster: Es geht auch hier um den Mehrwert. Facebooks Mehrwert ist, dass wir mit Freunden und Bekannten verbunden sind (Social Network Facebook), wir in einem Netzwerk unsere Bilder teilen können (Instagram) oder mit unserem Umfeld direkt kommunizieren können (WhatsApp). Gerade Whats-App ist ein gutes Beispiel. WhatsApp konnte gegenüber der SMS einen Mehrwert wie Gruppenchat und Übermittlung von Bildern oder Videos bieten. Wenn der Netzwerkeffekt einsetzt, geht es in der Verbreitung sehr schnell. WhatsApp hat mittlerweile rund 1,2 Milliarden Nutzer weltweit. Aber es kann auch mal drehen. Derzeit verliert Facebook Nutzer an Snapchat und Instagram. In einem meiner letzten Vorträge habe ich die These aufgestellt, dass Facebook (nicht Instagram oder WhatsApp) in rund fünf Jahren irrelevant sein könnte, wenn es ein neues Netzwerk schafft, dank der digitalen ID auf Blockchainbasis, den Netzwerkeffekt zu erzielen. Die digitale ID auf der Blockchain gibt uns die Hoheit über die Daten wieder zurück. Wir werden entscheiden, wem wir welche Daten geben wollen. Wir werden aber auch für unsere Beiträge mit einer internen Kryptowährung entschädigt oder zahlen, wenn wir anonym bleiben möchten. Wenn ein neuer Herausforderer den Netzwerkeffekt erreicht, kann es mit dem Niedergang von Facebook rasch gehen.

Ob der Wirtschaftskraft, die da entsteht, fragen wir uns in der Schweiz, was ein normales KMU denn in Zukunft überhaupt noch tun kann, um Wert zu schöpfen. Wie siehst du diese Entwicklung?

Jörg Eugster: Das Wichtigste ist, so beschreibe ich es auch in meinem Buch «Übermorgen», die Optimierung der Kundenprozesse. Wenn wir diese mit einem Mehrwert digitalisieren, dann werden die Kunden bei uns bleiben wollen. Amazon ist der Weltmeister in dieser Disziplin. Der Kundennutzen ist die wichtigste Messgrösse bei Amazon. Die Migros hat z. B. mit ihrer App, die ich mit Begeisterung nutze, einen grossen Mehrwert geschaffen. Die Gutscheine und Cumulus-Bons zum Beispiel sind in der App gespeichert. Früher musste man diese ausschneiden und im Portemonnaie mittragen, damit man sie an der Kasse dabeihatte. Das ist nur ein Beispiel für den digitalisierten Kundennutzen. Man mag nun einwenden, dass die Migros ja kein KMU sei. Das ist richtig,  doch bin ich überzeugt, dass jedes KMU seine Kundenprozesse kritisch hinterfragen und optimieren kann. Nur ein Tool einzusetzen, genügt nicht. «A fool with a tool is still a fool.» Man muss auch, idealerweise unter Einbezug der Kunden, seine Prozesse laufend verbessern. Das bedingt eine Offenheit, wie sie leider nicht überall vorhanden ist.

Auch die Berufsbilder und die Anforderungen an uns als Arbeitskräfte verändern sich. Was sind die wichtigsten Fähigkeiten, die jeden von uns in die Lage versetzen, mit dem Wandel mithalten zu können, und den Wandel sogar gestalten zu können?

Jörg Eugster: Damit man als Arbeitskraft nicht weggeUBERt wird, muss man sich auch als Arbeitnehmer laufend anpassen oder vorausschauend handeln. WeggeUBERt werden ist mein Wortspiel für die Verdrängung von Aufgaben durch Maschinen und Roboter. Grundsätzlich sollte man einen Job wählen, der in den nächsten Jahren nicht gerade von einer künstlichen Intelligenz, einer App, einem Roboter oder einer Maschine besser und billiger gemacht werden kann. Wenn du Chauffeur bist oder Fahrdienstleistungen anbietest, dann musst du dir zur Zukunft Gedanken machen. Natürlich passiert nichts von heute auf morgen, aber wie viel sich in fünf Jahren verändern kann, ist dann doch immer wieder überraschend. Ich hielt vor rund zwei Jahren einen Vortrag bei Banken in Deutschland. Meine These war, dass es bis 2030 rund 90% weniger Bankmitarbeiter geben würde. Dies wegen der Digitalisierung ganz allgemein, wegen Blockchain und Robo Advisor im Besonderen. Ein jüngerer Bankmitarbeiter setzte sich beim Mittagessen mir direkt gegenüber. Er hatte ein Angebot, in einem Start-up für digitale Grabsteine mitzumachen, und bat mich um meine Meinung. Ich ermutigte ihn dazu, denn ich denke nicht, dass er in der Bank bis zur Pensionierung eine Stelle haben wird. Er alleine entscheidet, ob er ins Ungewisse gehen möchte oder bei der scheinbaren Sicherheit der Bank bleiben will.

Was wünschst du dir für die nächsten zehn Jahre?

Jörg Eugster: Ich wünsche mir drei Dinge: Erstens, dass sich die positiven Entwicklungen der Digitalisierung, die heute sichtbar sind, durchsetzen werden. Zweitens, dass kein Krieg diese Entwicklungen wieder zerstört. Wir leben in einer alles andere als sicheren Welt. So wünsche ich mir, dass nicht irgendein narzisstischer Machthaber auf den falschen Knopf drückt. Drittens, dass es mir endlich gelingt, von meinem äusserst hohen Arbeitspensum wieder herunterzukommen. Nur schon eine 45-Stunden-Woche wäre für mich wie Ferien. Ich arbeite daran, das zu verbessern und möchte das 2019 umsetzen können.

PASCAL SIEBER

ist Transformation Consultant und Verwaltungsratspräsident von Dr. Pascal Sieber & Partners AG in Bern. www.sieberpartners.ch

CNO PANEL

Das CNO Panel ist die Schweizer Plattform für das Top-Management mit Schwerpunktreferaten, Workshops und viel Raum für persönliches Networking. Freuen Sie sich auf relevante Statements aus Wissenschaft, Politik und Praxis – sowie auf Kunst und Kulinarik. Das «Chief Networking Officer»- (CNO) Netzwerk erforscht und entwickelt Ideen und Lösungen für ein besseres Verständnis der Anforderungen an die Informatik und ein besseres Verständnis für die Nützlichkeit der Informatik für Unternehmen und Verwaltungen. Das Projekt wird getragen von Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Medien. Mit Chief Networking Officer (CNO) ist jene Person gemeint, die im Top-Management die Verantwortung für die Vernetzung des Unternehmens mit Kunden, Lieferanten und Partnern übernimmt.

Der oder die CNO unterstützt unternehmensinterne und  betriebsübergreifende Geschäftsprozesse mit Informatik und Telekommunikation, damit die beteiligten Mitarbeiter/innen effizient und effektiv zusammenarbeiten können, damit neue Geschäftsfelder erschlossen und die Wertschöpfung im Unternehmen oder in der Verwaltung gesteigert werden kann.

Wissenschaftliche Partner des CNO Netzwerks 2017 sind: Institut für Wirtschaftsinformatik Universität Bern, Forschungsstelle Digitale Nachhaltigkeit Universität Bern, Kompetenzzentrum für Public Management Universität Bern, Institut für Marketing Universität Bern; Institute of Marketing Universität St. Gallen. Verbandspartner des CNO Netzwerks 2017 sind: ICT SWITZERLAND, ICT-Berufsbildung Schweiz, asut, Institut für Jungunternehmen, Internet Briefing, simsa, Swico; Swiss Marketing, WinLink, Handel Schweiz. Medienpartner des CNO-Netzwerks sind: Netzmedien; IT Business, Der Organisator. www.cno-panel.ch

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